Ich wurde am 23.6.1970 in Teheran geboren. Verlebte dort meine Kindheit, besuchte Kindergarten und Schule. Die Sommerferien verbrachten wir oft und gerne in Deutschland, der Heimat meiner Mutter. Da ging es mit dem Zug kreuz und quer durch die BRD, bis alle Tanten und Onkels besucht waren. Ich konnte mich kaum sattsehen an den bunten Blumenwiesen, grünen Wäldern, Seen, kleinen Dörfern aus denen Kirchturmspitzen hervor lugten. Doch ich freute mich auch unbändig, wieder nach Teheran der pulsierenden, lauten Großstadt, die niemals schlief, zurückzukehren. Zurück zu Familie und Freunden, wo ich mich zu Hause fühlte.

Unser Leben änderte sich jedoch mit dem Beginn der islamischen Revolution 1978 grundlegend. Meine Familie war niemals politisch aktiv, deshalb stellte sich nicht die Frage, Iran zu verlassen. Das Leben, der Alltag musste weitergehen. Die Lage würde sich schon wieder beruhigen, dachten wir. Ich verstand zu dieser Zeit nichts von Politik, doch die Gewalt, die ich auf den Straßen sah und die Angst, die uns in dieser unberechenbaren Zeit überall hin begleitete, prägen mich bis heute. Mit dem Beginn des Golfkrieges 1980 wurde das Leben aber nicht einfacher. Im Gegenteil. Jetzt hatte man zusätzlich die irakischen Bomben zu fürchten, darüber hinaus noch mit Benzin-, Strom-, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit zu kämpfen. Die meisten, die die Möglichkeit hatten, Iran zu verlassen, ergriffen spätestens jetzt ihre Chance. So war die Entscheidung bald getroffen, nach Deutschland zu ziehen. Wir brauchten dafür weder ein Visum, noch mussten wir das Land über verschlungene, geheime Wege verlassen, noch einen Asylantrag in Deutschland beantragen. Da wir die iranische und deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, war die Ausreise ein Leichtes, das Abschiednehmen dagegen umso schwerer. Mein Vater entschied sich, wie viele andere iranischen Männer, die mit einer „Ausländerin“ verheiratet waren, ihre Familien im Heimatland ihrer Ehefrauen in Sicherheit zu bringen. Sie selbst wollten im Iran die Stellung halten, bis die Lage sich beruhigt und die Familien zurückkehren könnten. Doch schon am Flughafen mit unseren Oneway-Tickets in der Hand ahnten wir, dass dies niemals der Fall sein würde.

So landeten wir – meine Mutter, mein Bruder und ich – im November 1981 im Rheingau. Die Anfangszeit in Deutschland war hart für uns alle, denn eine neue Existenz aufzubauen hatte nichts mehr mit der Ferienromatik gemein. Doch schon bald lernte ich hier neue, tolle Freunde kennen und begann das Land und die deutsche Sprache zu lieben, mit der ich anfangs noch zu kämpfen hatte.

Zu schreiben traute ich mich zu dieser Zeit noch nicht, da ich mich immer mehr von der persischen Sprache entfernte und in der deutschen noch nicht ganz angekommen war. Aber um meine Erlebnisse zu verarbeiten, begann ich intensiv zu malen. In meiner Jugend hatte ich zahlreiche Ausstellungen, gehörte dem Künstlerkreis Johannisberg an und besuchte die Wiesbadener freie Kunstschule. Um meine künstlerische Ader mit ökonomischen Aspekten zu verbinden – denn man muss ja von etwas leben -, beschloss ich ganz pragmatisch, nach dem Abitur Architektur zu studieren. Da lag es nahe, sich zunächst in der Praxis zu üben. So begann ich eine Bauzeichnerlehre, die jedoch alles andere als meiner Natur entsprach. Nach Beendigung der Lehre schlug ich deshalb zunächst etwas orientierungslos einen völlig anderen Weg ein und studierte Germanistik, Filmwissenschaften und Kunstgeschichte an der Uni Mainz, was mich immer tiefer in die Welt der Geschichten führte. Ich jobbte nebenher in einer Diskothek, in einer Tortenfabrik, bei Zeitungen und arbeitete bei Verlagen. Für das Malen hatte ich immer weniger Zeit und Raum. Doch durch das Studium bekam ich einen neuen Farbkasten zur Hand, der nicht mit Pigmenten sondern mit Worten gefüllt war. Es war Liebe ab dem ersten Wort und seitdem lässt mich das Schreiben nicht mehr los. Ein Tag ohne Schreiben ist wie ein Tag ohne Essen. So habe ich dem Pragmatismus abgesagt und mich auf den unbefestigten Weg eines schriftstellerischen Lebens begeben. Auch wenn dieser Weg alle Vorteile eines Angestelltenlebens, wie z.B. ein regelmäßiges Einkommen, Aussicht auf Rente und wenigstens ein Mindestmaß an Sicherheit und Planbarkeit missen lässt. Doch ich habe ein unglaubliches Glück, denn mein Mann, meine wunderbare Familie und Freunde stehen hinter mir und ermutigen mich weiterzugehen, auch wenn dieser Weg manchmal unbegehbar erscheint.

So ist meine ganze Arbeit erfüllt von Freude und Liebe zu den Worten, Sätzen, Geschichten und natürlich zu meinen Lesern und Zuhörern.

Leila Emami-14 Foto: Fotostudio Michaela Diana