Was wären wir ohne Google, Facebook, Amazon und Co? Und was wären sie ohne unseren Content ??

Nichts….

Und was verdienen die, die den Content herstellen? Die meisten:

Nichts ….

Gerade in diesem Augenblick, während ich diesen Blogartikel schreibe, füttere ich die Maschinen der großen Plattformen mit Content, dafür bekomme ich keinen Cent, dafür aber etwas anderes:

den Glauben für eine gute Sache – wie die Wissensvermehrung – zu schreiben.

Echt, jetzt? Glaube ich wirklich an das Gute, oder will ich bloß Aufmerksamkeit? Hand aufs Herz, niemand macht sich mehr Illusionen, dass uns Tech-Firmen, die mit unserem Gehirnschmalz und Daten astronomische Gewinne einstreichen, die Menschheit in eine verheißungsvolle Zukunft führen wollen. Sie sind mit ihren Know- how auf maximalen Gewinn für sich und ihre Aktionäre ausgerichtet.

Die Geschichte scheint sich hier zu wiederholen. Zu Beginn der Industrialisierung, als Fabriken aus der Erde schossen wie Pilze, entstand die Arbeiterklasse… Ihr kennt ja die Geschichte: Hungerlöhne und Elend für die Mehrheit, unermesslicher Reichtum für ein paar wenige, Klassenkämpfe, neue Weltordnungen, zwei Weltkriege…

Achtung steile These: Was die Arbeiter früher für die Fabrikanten waren, sind die Kreativen heute für die Tech-Giganten. (Wobei es den Kreativen heute natürlich viel besser geht, als den Arbeitern damals. Die Kirche sollte schon im Dorf bleiben.)

Die hungrigen Tech-Firmen auf der einen Seite und auf der anderen Seite Nutzer, die die Inhalte für umsonst wollen, geben – wie man auch hin und her überlegt – keine gesunde Gemengelage.

Aber warum tun wir das überhaupt, obwohl wir alle wissen, dass uns das alle Probleme bereitet? Und jetzt sind wir wieder bei der Aufmerksamkeit: Die wollen wir alle haben. Wir wollen gesehen werden und uns ausdrücken. Ist doch klar! Und jeder von uns will ein Stück vom Kuchen und die Erfüllung seiner Wünsche. Das war schon immer so, und Goethe wusste auch ein Lied davon zu singen. Sein Doktor Faustus verkaufte dafür seine Seele an den Teufel:

Der Pakt mit dem Teufel ging für Faust bekanntlich nicht gut aus. Waren früher aber eher wenige Privilegierte der Versuchung ausgesetzt, solch ein Angebot von Mephistoteles zu erhalten, ist heute beinahe jeder mit einem Internetanschluss betroffen. „Wir sind Faust“, könnte man meinen.

Fausts Packt mit Mephisto nach Goethes Faust, Kupferstich von Julius Nisle

Wir sehen ja die Verlockung, wie manche Influencer, Musiker, Maler oder Autoren alles absahnen. Getreu des Narratives des amerikanischen Traums: „Auch Du kannst es schaffen, wenn Du Dich nur ordentlich ins Zeug legst!“, geben wir alles. Und gehen dafür einen Pakt mit den Tech-Firmen ein: Eine gut funktionierende Aufmerksamkeits-Plattform gegen unsere Ideen und unserer Identität.

Blick in die Kristallkugel für uns Autoren:

Wie auch immer sich das Internet entwickeln wird, ob die großen Tech-Firmen bestehen bleiben oder zerschlagen werden, ob sich die Technologie mit unserem Bewusstsein verschmelzen wird oder nicht, ob die Künstliche Intelligenz uns die Schreibarbeit abnehmen wird oder nicht, eins wird immer bleiben: das menschliche Grundbedürfnis sich auszudrücken zu wollen, seine Fähigkeit zur Empathie und Kreativität und sein Hunger nach Aufmerksamkeit.

Am Anfang des Internet-Zeitalter herrschte das Narrativ: „Content für alle, kostenfrei und allzeit verfügbar!“ Heute herrscht eher die Erzählung: „Holzauge sei wachsam, was mit Deinen Daten und Inhalten passiert.“ Es gibt viele Ansätze und Gesetze, die Datenströme zu regulieren und zu beherrschen. Vielleicht wird irgendwann einmal das Narrativ herrschen: „Jeder ist Herr seiner eigenen Identität.“

Wer weiß? Dafür müsste aber auch jeder das System der Datenströme und die digitale Welt verstehen. Bis dahin: Geht sorgsam mit Euren Inhalten um, vernetzt euch mit Kollegen und bleibt auf dem Laufenden.

In diesem Sinne,

bleibt mutig und an den Tasten,

Leila

P.S. Wie die deutschen Bibliotheken im frühen Narrativ des Internets hängen geblieben sind und damit die Zukunft der Literatur gefährden, erfahrt Ihr in meinem nächsten Blogbeitrag.

P.P.S. natürlich weiß auch die Komödie mit diesem Thema was anzufangen:

2. Mai 2022

Leila Emami

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